Friday, July 16, 2010

Das Verhältnis des beduinischen zum islamischen Recht in sozialem und historischem Kontext: Rechtskonzept, Institutionen und Praxis - Die THESEN

Die drei Hauptthesen:

These I

Das Recht der arabischen Stämme, genannt Beduinisches Recht, in der Vergangenheit und in der Gegenwart stellt eine eigene Rechtskultur dar, die im Sinne der Rechtsvergleichungstheorie nach den determinierenden Kriterien von Constinansco als eine Rechtsfamilie per se bezeichnet und betrachtet werden soll, wobei die Tribalität, welche sich durch die kollektive Haftung der Solidargruppe zeigt, zusammen mit dem Ausgleich nach dem ḥaqq-Prinzip, also dem „subjektiven Recht“-Prinzip, die entscheidenden Unterscheidungskriterien nach René David für die Rechtsfamilie des beduinischen Rechts darstellen. Trotzdem war das Recht der arabischen tribalen Gemeinschaften in der Neuzeit alles anders als vereinheitlicht. Im Laufe ihrer Geschichten entwickelten sich die Stammesgemeinschaften und das von ihnen praktizierte Recht je nach Bedarf und eigenen Voraussetzungen. Sie bildeten dadurch kleinere unterschiedliche Rechtskreise innerhalb der beduinischen Rechtsfamilie.


These II


Die Interaktion zwischen beduinischem und islamischem Recht ist vielschichtig. Zum Rechtswesen der Zeit der Entstehung des islamischen Rechts, gehörten die tribalen Rechtshandlungen der Altaraber mit ihren Normen und Praktiken sowie die religiösen Rechtsauffassungen der Juden und Christen von Arabien. Alles floss in einen Korpus. Im islamischen Recht sind daher Elemente der verschiedenen beeinflussenden Rechtssysteme wiederzuentdecken. So vereinigte das islamische Recht die Idee des Rechtsausgleiches der Altaraber und Beduinen „ḥaqq“ mit dem Prinzip der Buße „kaffāra“ des religiösen Rechts, indem die kaffāra als Ausgleich für die verletzten Rechte Gottes (ḥaqq Allāh) interpretiert und damit die Stiftung objektiven strafrechtlichen Sinns (ʿaqūba/ḥudūd) legitimiert wird.
Die Auffassung von Strafe als Buße und Individualität der Schuld sind die entscheidenden Unterscheidungskriterien für das islamische Recht, die ich als Merkmale der Islamität der Rechtsanwendung betrachte. Diese Merkmale harmonisieren aber nicht selbstverständlich mit der Rechtstribalität des beduinischen Rechts, welches unter anderem dem Zusammenhalt des tribalen Verbands dienen soll. Daher bin ich der Meinung, dass eine Form der Beduinisierung bzw. Tribalisierung der Rechtsanwendung bei der Übersetzung islamischer Normen durch die Beduinen stattfand.

These III

Die Rechtstransformationen, welche arabische Stammesgemeinschaften der Neuzeit in der Zentralregion und bei den Awlād ʿAlī erlebten, stehen in enger Verbindung zur Bildung tribaler Neuorganisationen durch Spaltungen oder Fusionen begleitet mit der zunehmenden Neuschaffung von vertraglichen Rechtsräumen innerhalb und außerhalb einer Genealogie.

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